Die Basis: 1990er US-Miata

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Gute Autos werden nicht gefunden – sie finden einen.

Der Markt für gute MX-5 hat sich in den letzten vier Jahren stark gewandelt. Schöne, gut erhaltene, rostfreie NAs werden kaum noch angeboten, und wenn, dann zu steigenden Preisen gehandelt. Aktuell finden sich in den einschlägigen Portalen vorwiegend NBs als Verbrauchtwagen am Ende ihres Lebenszyklus‘. Nur so viel: Spätestens bei Beschreibungstexten wie „rostfrei, Schweller wurden schon gemacht“ sollte man das Weite suchen. Denn wenn die Schweller oder hinteren Radläufe bereits geschweißt wurden, werden die Längsträger vorne und hinten bereits feinsten Blätterteig tragen. Insofern war es glückliche Fügung, dass mich ein 1990er Miata in Kufstein, auf dem Heimweg aus dem Sommerurlaub, gefunden hat.

The Good, the Bad & the Ugly

Belegbare und glaubhafte 71.000 Meilen (114.000 km). Super erhaltener weißer Originallack mit neu lackierten Kotflügeln. Kein Winterbetrieb: Schweller, Radläufe und Unterboden so rostfrei, dass ich es kaum glauben wollte. Dazu passt auch ein kompletter Satz ungefahrener Winterreifen auf NB Felgen mit DOT-Nummer aus dem Jahr 2011.

Die Ausstattung ist US-typisch komplett. Eine funktionierende Klimaanlage ist ebenso an Bord wie Servolenkung, elektrische Fensterheber und Tempomat. Neben der Serienmitgift hat der Vorbesitzer in zahlreiche Zubehörteile investiert: Ein Holzlenkrad passend zum originalen Airbag, ein passender Holz-Handbremsgriff, neue Eibach-Federn, MAS 1715C (inkl. unberührter Nabenkappen!), ein K&N 57i Luftfilter-Kit und als Draufgabe eine Magnaflow-Krawalltüte mit 100er Endrohr. Es wirkt auf dem kleinen Spielzeug-Wagen dermaßen deplatziert, dass es fast schon Camp-Status erlangt. Werde demnächst ein Gitter darüberbauen, damit in der Nacht kein Hund drin schläft.

Die größte Freude bereitete der Blick in die Schweller. Im hinteren Radhaus die Plastikabdeckung demontiert, legt man flugs eine ca. 6 cm große Verschlusskappe frei. Entfernt man diese, kann man gut in die beiden Schwellerkammern blicken. Bei Fahrzeugen mit reichlich Winterbetrieb und/oder verstopften Verdeckabläufen sammelt sich hier das Wasser und sorgt mittelfristig für Ungemach. So erklären sich auch die vielen „rostfrei, Schweller wurden schon gemacht“ Zitronen. Bei mir jedoch war alles rostfrei – und damit es auch so bleibt, wurde in jede Schwellerseite eine Dose Fluid Film eingespritzt. Tipp: Was von hinten nicht konserviert werden kann, lässt sich nach Entfernen der Einstiegsleisten über die darunterliegenden Löcher erreichen.

Etwas weniger prickelnd waren der Lack und die Sitze. Ersterer punktete zwar mit Brillianz, war allerdings an einigen Stellen nachlackiert. Insbesondere die vorderen Kotflügel, welche – wenn man es weiß – einen etwas helleren Weißton aufwiesen als der Rest des Wagens. Und die Sitze waren zwar laut Vorbesitzer von einem Sattler beledert worden, die Bezüge sitzen aber an manchen Stellen etwas locker und werfen Falten. Das gleiche Problem hatte ich beim roten NA, als ich die Sitze selbst belederte. Am Ende hatte ich zusätzliche Schichten Schaumstoff eingebracht, wodurch sie besser als neu wurden. Ein zweiter Störfaktor für Zwangsgestörte wie mich ist die Farbe. Die beige Mittelfläche sieht zwar schick aus, wieso in aller Herrgotts Namen der Rest aber dunkelbraun (und nicht schwarz wie der Rest des Innenraums) gewählt wurde, ist schwer zu begreifen.

Einfach nur skurril ist eine Rechnung, die ich in den vielen gesammelten Unterlagen fand: Ein Vorbesitzer hatte allen Erstes neue originale (!) Fahrwerksfedern bei Mazda (!!) für rund € 500 (!!!) gekauft – und nie verbaut (!!!!). Umso mehr freute ich mich, als ich sie zu Gunsten der Originalität verbauen durfte.

Alles orischinol, Herr Inspektor

Wie gut ein MX-5 im Serientrimm eigentlich ist, offenbart sich im Umstieg vom Roten in den Miatini. Das Getriebe flutscht, die Kupplung schließt sanft und ruckfrei, das Fahrwerk schluckt feinste Unebenheiten, die Sitze gleich eines gut eingesessenen Chesterfield-Sofas. Gleichzeitig flitzt der Kleine trotz des Serienfahrwerks wieselflink um die Ecke und führt schlagartig vor Augen, was einen MX-5 so toll macht: Glasklare Rückmeldung, gutmütiges, fehlerverzeihendes Fahrwerk und ein Fahrgefühl, das selbst bei Geschwindigkeiten diesseits des strengen Kerkers mit großem Erlebniswert glänzt.

Machen wir uns nix vor: Direkt nach dem Umstieg vom Turbo in den Miatini kommt einem der Wagen wie eine angebundene, tief komatöse Kuh vor. Zu schwach, zu langsam, zu weich. Je mehr man sich jedoch auf ihn einlässt, desto mehr wird klar, wie gut diese kleine günstige Schüssel (nichts anderes war und ist ein MX-5) in der Summe ihrer Eigenschaften ist. Die Entwicklung eines Fahrzeuges ist immer ein Abwägen unterschiedlichster Interessen. Motorleistung vs. Massentauglichkeit, Rennstreckenhandling vs. Alltagsqualitäten, Ausstattung vs. Einstiegspreis,… Ein Serienfahrzeug stellt im Idealfall den bestmöglichen Kompromiss unter Maximierung des Nutz- und Erlebniswertes dar. Erreicht man bspw. in vier Dimension jeweils 80%, ist das in Summe gerade für ein Volumenmodell wie den MX-5 immer noch besser als etwa 100% beim Handling zu holen, dafür aber nur 40% bei NVH zu erzielen.

Natürlich leben wir alle tagtäglich geistig in Eau Rouge und Karussell. Doch wenn man sich ehrlich gesteht, so stehen wir doch 90% der Zeit im Morgenverkehr und fragen uns, ob Ö3 sich wirklich nur diese eine CD pro Kalenderjahr leisten kann.

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